Hans Sautmann und Uli Seibert

1) Welches sind Ihre persönlichen Motive, sich aktiv für die Demokratie einzusetzen und welche Erwartungen stellen Sie an das „Bündnis Demokratie im Landkreis FFB?
2) Welche antidemokratischen Kräfte und Gefahren sehen Sie?
3) Welche Änderungen und Neuerungen für die Gestaltung der Demokratie halten Sie für erforderlich und gangbar?

Hans-Heinrich Sautmann sagt:

Meine persönlichen Motive sind:
Ich möchte dem Erstarken des Rechtsradikalismus nachhaltig entgegenwirken.
Ich will, dass die AfD keinen nennenswerten Einfluss auf die Politik im Landkreis, in den Kommunen, in Bayern oder im Bund bekommt.
Ich möchte, dass Politiker*Innen – egal ob beruflich oder ehrenamtlich, und egal, aus welcher Partei oder Gruppierung – ohne Angst vor Gewalt und Gewaltandrohung tätig sein können.
„Die Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – ausgenommen alle anderen.“ (Winston Churchill)

Meine Erwartungen an das Bündnis für Demokratie sind:
Überparteilichkeit – Rechtsradikalismus – Islamismus – Antisemitismus – Linksradikalismus. Deren Erstarken hat meines Erachtens tiefer liegende gesellschaftliche Ursachen, die ihrerseits Gefahren für die Demokratie darstellen. Dazu zähle ich in erster Linie: Die seit vielen Jahren zunehmende Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland. Hier gibt es die größte Konzentration von Vermögen in wenigen Händen und zugleich den größten Niedriglohnsektor in Europa. Zunehmend mehr Menschen wenden sich resigniert von der Politik der etablierten Parteien ab, weil ihr Lebensstandard ungesichert ist oder sie fürchten, dass er zunehmend unsicherer wird.
Unzureichende Anstrengungen bei der Integration Zugewanderter incl. Geflüchteter in unsere Gesellschaft. Immer noch sind Migranten oft nur als Arbeitskräfte willkommen – für die Bildung ihrer Kinder und die Integration in unsere Gesellschaft auf dem Boden des Grundgesetzes wird zu wenig getan. Dies fördert u.a. Parallelgesellschaften, Slumbildung Geflüchteter ohne ausreichende Wohnung und befeuert dadurch laufend die Ausgrenzung von Migranten durch Rechtsradikale.
Die Bedrohung unseres Wohlstandes durch die menschengemachte Erderwärmung und die ungleiche Verteilung der Lasten bei ihrer Bewältigung.
Ohne die gesellschaftlichen Ursachen für das Erstarken des Extremismus zu bekämpfen, kann dieser nicht nachhaltig zurückgedrängt werden. Das bloße Beschwören der Werte unserer Demokratie reicht dafür nicht aus.
Ohne die gesellschaftlichen Ursachen für das Erstarken des Extremismus zu bekämpfen, kann dieser nicht nachhaltig zurückgedrängt werden. Das bloße Beschwören der Werte unserer Demokratie reicht dafür nicht aus.

Welche Änderungen und Neuerungen für die Gestaltung der Demokratieausübung halten Sie für erforderlich und gangbar?
Vorausschicken möchte ich, dass meines Erachtens unsere Demokratie stabil und auch gut ausgestaltet ist. Neue Strömungen und Parteien können sich bei uns etablieren – z.b. deutlich anders, als in den USA. Trotzdem einige Ideen:
Ich fände die vermehrte Einrichtung von Bürgerräten auf allen Ebenen – Kommunen, Land und Bund – gut, um Nicht-Politiker*Innen an wichtigen Entscheidungen der Parlamente zu beteiligen.
Ich wünsche mir, dass in den sozialen Medien jeder mit seinem vollen Namen statt anonym auftritt – dann würden hoffentlich Hass, Wut und Hetze wesentlich zurückgehen.
Ich würde die aktuell oft beschworene ‚Brandmauer‘ gegen Rechts, konkret gegen die AfD, differenziert praktizieren: Null Unterstützung bei der Bildung von Regierungen mit AfD-Beteiligung und jeglicher Wahl von AfD-Mitgliedern in verantwortliche Positionen (Bürgermeister, Landräte, Richter etc.). Bei Anträgen und Abstimmungen in den Parlamenten zu allen anderen Fragen muss die inhaltliche Auseinandersetzung geführt werden und gemäß inhaltlicher Gründe und politischer Überzeugung abgestimmt werden.

Ulrich Seibert sagt:

Zur 1. Frage:
Es gibt zwei Fraktionen: Zum einen diejenigen, die einige Menschen für besser halten als andere (darunter natürlich sie selbst). Dann gibt es diejenigen, die der Ansicht sind, dass jeder Mensch gleich viel wert ist … Es gibt zur Demokratie schlichtweg keine Alternative, denn in keinem anderen System lassen sich alle Interessen der verschiedenen Gruppierungen einer Gemeinschaft prinzipiell gleichwertig aufs politische Tablett bringen … Ein Hauptproblem nicht nur unserer Zeit ist, dass selbst die politisch Rechten sich grundgesetztreu, offiziell zur Gleichwertigkeit bekennen. Und doch tun sie alles dafür, um eine Gesellschaftsordnung der Gleichwertigkeit zu hintertreiben – es entsteht naturgemäß ein Ungleichgewicht zwischen dem, was in der Flasche drin ist, und dem Etikett, das auf der Flasche prangt … Wer sich als Wächter der Demokratie geriert, sollte Verstöße gegen den Geist der Demokratie öffentlich anprangern, und zwar insbesondere, wenn Bündnis-Mitglieder oder ihre Organisationen da „mit drinstecken”. So wird Druck zugunsten der Demokratie ausgeübt … Das Bündnis müsste außerdem offensiv Öffentlichkeit für Demokratiedefizite erzeugen und aktiv für eine EU-Demokratisierung eintreten …

Zur 2. Frage:
Dass große Teile der Bevölkerung sich nicht mehr von einer demokratischen Partei repräsentiert fühlen, gefährdet die Demokratie selbst am allermeisten. Unsere Politik setzt nämlich seit Jahrzehnten mitnichten die Interessen der breiten Bevölkerung um, sondern die der Reichen und Superreichen – und zwar mit alleroberster Priorität. Die Ungleichheit zwischen Arm und Reich war nie so hoch wie heute. Es gibt „neoliberal“ in verschiedenen Farbtönen, in Gelb, in Schwarz, in Grün, in Rot oder in Hellblau-braun. Die Glaubwürdigkeit der politischen Parteien ist im Keller. Das Erstarken der AfD ist nicht die Krankheit der Demokratie, sie ist ein Symptom dieser Krankheit, die entweder mit der richtigen Medizin kuriert wird, und das bald, oder die in Kürze so richtig ausbricht … Sogar Grundrechte hat man mittlerweile einkassiert …

Zur 3. Frage:
Wir brauchen ganz dringend eine demokratisch ausgerichtete Reform der EU mit einer EU-Verfassung, einem Parlament, das dem Namen auch gerecht wird und echter Gewaltenteilung. Wir brauchen eine demokratische, nicht-neoliberale Alternative in der Parteienlandschaft …


OFFENE FRAGEN … auf die wir stießen oder gestoßen wurden:

֎ Wer ist gemeint mit „Gegen rechts“? Was ist gemeint mit „Nie wieder ist heute“?
֎ Welche Erwartungen haben Sie bzw. wir an das Brucker „Bündnis Demokratie“?
֎ 75 Jahre Grundgesetz: Wie sieht die Verfassungswirklichkeit aus?
Die Internet-Plattform „OpenPetition“ informierte: „45.792 Menschen würden in Deutschland an einer Verfassungsreform mitwirken. Was muss an unserem Grundgesetz verbessert werden und wie können wir es besser schützen?“
֎ Wie macht man der Bevölkerung Lust auf Demokratie und wie erreicht man die Jugend?
֎ Wie retten wir unsere demokratisch verfasste Gesellschaft vor einer Demontage?
֎ Kann man Demokratie erneuern bzw. „demokratisieren“?
֎ Alle Parteien verteidigen unsere Demokratie – tun sie es ernsthaft und mit demokratischen Mitteln?
֎ Was ist das und was bringt uns das: Die „marktwirtschaftliche Demokratie“, die „Regelbasierte Werteordnung des Westens“, der „Systemwettbewerb“, die deutsche „Staatsräson“ und die verordnete „Kriegstüchtigkeit“?
֎ Kann man Kriege mit oder ohne Waffen verhindern?
֎ Die aktuelle soziale Lage sieht nicht gut aus: z. B. im Wohnungswesen, beim Bildungssystem und im Gesundheitswesen – was fehlt zur Besserung?